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Carpe diem
HORAZ (65 V.CHR. - 8 CHR.)

 Foto Pendeluhr Altes Rathaus Esslingen
Pendeluhr Altes Rathaus Esslingen



AUSSERMUSIKALISCHE KONSTANTEN IN MEINEM LEBEN.
DIE FASZINATION DES PENDEL


Die Uhr ist allgemein bekannt als Zeitmesser. Sie zeigt als Quarzuhr heutzutage sekundengenau
die jeweilige Uhrzeit an: als Armbanduhr, auf dem Handy, Smartphone, iPhone, auf dem
Armaturenbrett im Auto etc. unterwegs, als Wanduhr, seltener als Tischuhr, noch seltener als
Standuhr neben Weckern und elektrischen Geräten im häuslichen Bereich. 


Selten wird die Zeit, die sie anzeigt, in ihrem Wesen erkannt und bewusst als etwas Vergängliches
registriert. Zwar wird sie deutlich wahrgenommen, wenn man einen dringenden Termin hat und
durch Ereignisse vielfältiger Art an der pünktlichen Einhaltung gehindert wird. Doch der Augenblick,
die Minute, die Stunde, der Tag oder das Jahr vergeht häufig, ohne dass man es bemerkt.




Es gibt ein sehr probates Mittel,
die Zeit zu halten am Schlawittel:
Man nimmt die Taschenuhr zur Hand
und folgt dem Zeiger unverwandt,
Jedoch verträumst du dich ein Weilchen,
so rückt das züchtigliche Veilchen 
mit Beinen wie der Vogel Strauß
und heimlich wie ein Puma aus.
Sie geht so langsam dann, so brav 
als wie ein wohlgezogen Schaf,
setzt Fuß vor Fuß so voll Manier
als wie ein Fräulein von Saint-Cyr.
Und wieder siehst du auf sie nieder;
ha, Elende! - Doch was ist das?
Unschuldig lächelnd macht sie
wieder die zierlichsten Sekunden-Pas.
(Christian Morgenstern 1871 -1914, Die Zeit, aus: Palmström 1910)

         
Der Blick zurück ist durchwegs bei Feiern jeder Art üblich. Wahrscheinlich ist es eine uneingestandene unterschwellige Scheu, sich die Bedeutung des Ablaufs der Zeit klarzumachen. Gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit, wo die Mode-Formulierung „Mein Gott, wie die Zeit rennt“ en vogue ist, wird nur das rasante Tempo zur Kenntnis genommen, die eigentliche Bedeutung des Unwiederbringlichen des gerade gelebten Moments oder gar der Ablauf des eigenen Lebenszeit mehr oder weniger bewusst verdrängt. Nicht nur die Philosophen, Dichter und Denker habe das Phänomen Zeit in seiner ambivalenten Wirkungsweise beschrieben, auch der ganz normale Mensch empfindet die zwei Seiten der Zeit: bei einem Glücksmoment als viel zu kurz, auf dem Krankenlager unerträglich lang, um nur zwei Extrembeispiele zu nennen.


Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in
Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!
J.W. von Goethe (1749 - 1832) Faust I


 

das alte Schiedmayer Klavier
auch eine Konstante:
das alte Schiedmayer Klavier,

auf dem Christian Elsas begann, heute

Mir wurde die Kostbarkeit der Zeit schon sehr früh bewusst; ich hatte bereits seit meinem 12./ 13. Lebensjahr kleine Zettelchen zuerst auf dem alten Schiedmayer Klavier, später auf dem Notenpult meines ersten Flügels stehen, wo ich mir notierte, was für ein Musikstück ich für die Schulfeiern, wenig später bereits dann für Konzerte vorzubereiten hatte und in welchen Zeitdistanzen ich dies einüben wollte.
Auch mit der anderen Seite der Zeit, der Vergänglichkeit, wurde ich schon als kleiner Junge konfrontiert, als mein geliebter Klavierlehrer Musikdirektor Alfred Melchers starb. Auch die immer schwächer werdenden Kräfte meines Vaters blieben mir nicht verborgen, zumal ich durch mein ungewöhnlich enges Verhältnis zu ihm besonders sensibilisiert war.

Ich wundere mich oft darüber, wie leichtfertig man um Zeit bittet und sie anderen gewährt. Es ist gleichsam, als wenn um ein Nichts gebeten wird.
Lucius Annaeus Seneca (ca. 4 v.Chr. – 65 n. Chr.)



So war es kein Wunder, dass der Zeitmesser, die Uhr, schon seit frühester Jugend eine enorme Faszination auf mich ausübte, erst im Pfarrhaus in Remscheid die Wohnzimmer-Uhr, die mir mit ihrem außerordentlich warmen Schlag ein Gefühl der Geborgenheit gab, wie der Regulator, der im Arbeitszimmer meines Vater hing und mich durch seinen schnarrenden Halbstunden- und Stundenschlag an Gruselmärchen erinnerte. Nach dem Umzug nach Marburg erhielt der Regulator auf meinen Wunsch Einzug in mein Kinderzimmer, während die Wohnzimmer-Uhr auch im Marburger Wohnzimmer bis zum Tode meiner Mutter hängen blieb. – Es blieb also zu Anfang in Marburg alles beim Alten in meinem Verhältnis zu den Uhren. Doch schon bald nahm der Schlag des Pendels für mich immer mehr an Bedeutung zu in seinen zwei Komponenten: als Symbol der Kostbarkeit des Augenblicks und der Vergänglichkeit.

Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.

Lucius Annaeus Seneca (ca. 4 v.Chr. – 65 n. Chr.)


Als ich dann das Elternhaus verließ, und ein eigenes Haus bezog, nahmen auch nach und nach Uhren dort Einzug.

Grafik des Prinzip des Mechanismus’ einer Pendeluhr
Prinzip des Mechanismus
einer Pendeluhr

Die erste war die „Trompete“, eine Elsässer Standuhr, die ihren Namen dadurch erhielt, weil ich sie aus dem Trompeter-Museum in Bad Säckingen erwarb, einem Uhrenmuseum, wo ich im oberen Stockwerk in dem dortigen Konzertsaal seinerzeit einen Klavierabend gab. Schon einige Monate vorher hatte ich mir verschiedene Standuhren angeschaut, weil ich mir eine als Weihnachtsgeschenk gönnen wollte, davon aber Abstand nahm, weil ich die, die mir gefielen meinem Portemonnaie nicht zumuten wollte.

Wie der Erwerb vonstatten ging, ist eine Geschichte, die ich dem Leser dieser Zeilen nicht vorenthalten möchte.
Als ich zur Probe im Uhrenmuseum erschien, bewunderte ich eine sehr hohe alte Standuhr mit einem „musikalisch geformten“ Cellobauch, die sich als Einzelobjekt abgestellt im Gang befand, der zur Treppe des Obergeschosses führte, wo ich zwei Stunden später meinen Klavierabend geben sollte. Die Mitarbeiterin, die mich bei der Probe und während des Konzerts betreute, sagte zu meiner Überraschung, dass diese zu verkaufen sei. Ich fragte nach dem Preis, sie wusste ihn nicht, bot aber an, den Direktor, der das Konzert nicht besuchte, während meines Spiels zuhause anzurufen, den Preis zu erfragen und ihn mir nach der Veranstaltung mitzuteilen, was ich gerne annahm. Er war erstaunlich niedrig, da es sich zum einen um eine Elsässer Uhr handelte, die einen nicht sehr hohen Marktwert hat, zum anderen, weil dem Direktor die Uhr im Wege stand und er sie möglichst bald verkaufen wollte. Ich fand das Angebot verführerisch, nur war ich skeptisch, ob ich sie wegen ihrer Höhe, die deutlich über normalen Zimmerhöhen liegt, überhaupt würde stellen können. Ich rief sofort zuhause an und erfuhr, dass die Deckenhöhe gerade so ausreichend für die Uhr sei. Da ich unter Zugzwang stand, willigte ich noch an diesem Abend in den Kauf ein und bat, diese bis zum Transportieren für mich zu reservieren, wofür dann einige Wochen später wegen ihrer Länge ein Transporter gemietet werden musste. – So zog die erste eigene Uhr ein, die ich ja haben „musste“, da es sich um eine Uhr aus dem Elsass handelt, woher meine Familie stammt. 

Bei Besuchern und insbesondere bei Kammermusikpartnern bei Proben in meinem Haus ist sie nicht immer beliebt: ihr Pendelschlag ist laut und ihr Halbstunden- und Stundenschlag, dazu nach zwei Minuten noch eine Repetition für die, die den Stundenschlag nicht richtig gezählt haben, ist durchdringend und erinnert an das Herunterlassen einer alten Bahnschranke. Bei Hauskonzerten gab es immer wenigstens einen Besucher, der das Pendel anhielt; wenn Kammermusikpartner bei mir übernachteten, gab es häufig einen, der darum bat, die Uhr über Nacht anzuhalten. Für mich ist das Haus leer und tot, wenn die Uhr steht.

Im Laufe der Zeit stieß ich auf den Konzertreisen auf das eine und andere Objekt, das mich interessierte, ich mir gut in meinem Haushalt vorstellen konnte und für das ich den geforderten Preis zu zahlen bereit war.
So zogen immer wieder weitere Uhren bei mir ein. -

Doch wurde ich nicht Sammler von mechanischen Uhren im üblichen Sinne, wo ja der Markt- und Seltenheitswert den Ausschlag zum Kauf gibt. Mir ist eine Kopie genauso recht; das Auswahlkriterium besteht neben dem Klang des Gongs (Halbstunden- und/oder Stundenschlags) ausschließlich in ästhetischen Empfindungen, der Originalität der Form, der liebevollen Gestaltung des Gehäuses.
Mein intensives und sehr persönliches Verhältnis zu alten Uhren ersieht man auch daran, dass meine Uhren alle einen Namen tragen, der sich häufig auf den Klang bezieht, gelegentlich auch auf Erwerbsumstände oder Menschen, mit denen sie in Verbindung standen und denen ich mich besonders verbunden fühle.

Mittlerweile sind auch „Die Schnarrende“ und die alte Wohnzimmeruhr aus meinem Elternhaus, die jetzt „Der Gong“ heißt, bei mir eingezogen.

Korf erfindet eine Uhr,
die mit zwei Paar Zeigern kreist
und damit nach vorn nicht nur,
sondern auch nach rückwärts weist.

Zeigt sie zwei, somit auch zehn;
zeigt sie drei, somit auch neun;
und man braucht nur hinzusehn,
um die Zeit nicht mehr zu scheun.

Denn auf dieser Uhr von Korfen,
mit dem janushaften Lauf,
(dazu ward sie so entworfen):
hebt die Zeit sich selber auf.

Palmströms Uhr ist andrer Art,
reagiert mimosisch zart.

Wer sie bittet, wird empfangen.
Oft schon ist sie so gegangen,

wie man herzlich sie gebeten,
ist zurück - und vorgetreten,

eine Stunde, zwei, drei Stunden,
je nachdem sie mitempfunden.

Selbst als Uhr, mit ihren Zeiten,
will sie nicht Prinzipien reiten:

Zwar ein Werk, wie allerwärts,
doch zugleich ein Werk - mit Herz.

(Christian Morgenstern 1871 - 1914, 
Die Korfsche Uhr, aus: Palmström 1910)
(Christian Morgenstern 1871 - 1914, 
Palmströms Uhr, aus: Palmström 1910)


Meine Hunde und Uhren sind deshalb wichtige Pole in meinem Leben, da sie mir helfen, den sehr anstrengenden, manchmal auch durch persönlich verletzende Ereignisse besonders belastenden Alltag zu meistern. Sie geben mir ein gutes Stück innere Ruhe und Balance, um die Unsicherheit und Unberechenbarkeit zu ertragen, die der Beruf einen freien Künstlers nun einmal zwangsläufig mit sich bringt.

P.S. Deshalb die zwei auf den ersten Blick verwirrenden und überflüssig erscheinenden Punkte (Uhren und Hunde) im persönlichen Teil meiner Website, die sich dadurch hoffentlich erklären und das freundliche Interesse des Lesenden erwecken.