Der Kammermusiker
Musik! Dieses Kind – es schwebt! Es berührt nicht die Erde mit seinen Füßen. Es ist nicht der Schwere unterworfen. Es ist fast unkörperlich. Seine Materie ist durchsichtig. Es ist tönende Luft... Es ist frei.
Ferrucio Busoni (1866 - 1924)
Gustav Klimt (1862 – 1918) Die Musik, 1901 |
Da Christian Elsas schon zu Studienzeiten mit dem Hochschulquartett Frankfurt/ Main Konzerterfahrungen sammeln konnte, lag es nahe, die Formation Streichquartett plus Klavier als erstes auf dem freien Markt anzubieten, zumal er als ausgebildeter Cellist nicht nur mit Auf- und Abstrich, sondern auch mit der Artikulation und Phrasierung, die bei Streichern eine völlig andere Fragestellung aufwirft als beim Pianisten, aus eigener Erfahrung bestens vertraut war. Dieses Wissen ermöglicht eine andere Musizierhaltung der Streicher mit dem „artfremden“ Instrument Klavier, man kann frei miteinander kommunizieren ohne den Zwang des Taktells. Wenn nicht Profilneurosen den Weg verstellen, kann auf diese Weise ein wunderbares Miteinander beim Gestalten des Kunstwerks entstehen, worauf Elsas größten Wert legt.
Bei der Kleinform griff er als erstes zum Lied; die Sängerinnen und Sänger schätzten es, da er aufgrund seiner Ausbildung im Bereich Stimme ihre Prioritäten und Wünsche kannte, völlig frei singen zu können, was ihnen ganz andere Möglichkeiten der Interpretation eröffnete.
Der Weg von dort zur Bläserkammermusik war nicht weit, ist auch dort die Fähigkeit zum Mitatmen von großer Bedeutung. Zwar ist der Ansatz der menschlichen Stimme etwas anders gelagert als beim Blasinstrument, doch war, durch seine Erfahrungen bei Liederabenden sensibilisiert, auch hier sehr schnell ein Aufeinander-Eingehen möglich.
Auf diesem Sektor favorisiert Elsas die Formation Holzbläserquintett und Klavier, weil die dafür geschriebene Literatur, ganz besonders bei der französischen Bläserkammermusik, so strukturiert ist, dass jedem der sechs Partner abwechselnd vom Komponisten Solostellen zugewiesen werden. Hier ist jeder als Solist wie als begleitender Kammermusiker gefragt, was eine besonders reizvolle Spannung zwischen den Ausführenden erzeugt, die sich auch auf das Publikum überträgt.
Moritz von Schwind (1804 – 1871), Die Katzensymphonie, 1868, Joseph Joachim gewidmet |
Moritz von Schwind widmete die Katzenpartitur seinem Freund, dem Geiger Joseph Joachim, anlässlich dessen Ernennung zum Direktor der Berliner Hochschule für Musik. Eine Photographie schickte er auch an Eduard Mörike und schrieb dazu in einem Brief vom 19. Januar 1869:
"Ich bin Musiker geworden, und zwar Zukunftsmusiker im zweiten höheren Grade. Weg mit dem alten, steifen, trocknen Notensystem! Veraltet, überwunden, abgetanes Zeug - es braucht ein neues, durchgeistigtes, lebensvolles Ausdrucksmittel für meine neuen ungeahnten Gedanken - ob es Töne, Bilder oder der Teufel weiß was sind, das ist auch ganz wurst - ich habe das Unglaubliche geleistet. Beiliegende, Hr. Joachim gewidmete Sonate sei ein redender Beweis. Er gesteht, dass er nicht imstande ist, sie zu spielen – dieser Hexenmeister auf der Geige! Nebenbei kann bemerkt werden, dass Joachim und ich dem berühmten Orden von der schwarzen Katze angehören und das dieser unscheinbare Anlass es war, - der diesen Riesenschritt in der Musik hervorrief."
Dem Bereich Duo, Trio, Klavierquartett wurde zu Beginn dieses Jahrhunderts besondere Aktualität zugeordnet. Im Bereich Duo bevorzugt Elsas Werke, bei denen beide Parts gleichberechtigt vom Komponisten konzipiert sind, da hier das Geben und Nehmen, Zügeln oder Loslassen die Spannungsmomente sind, die ihn – und hoffentlich auch das Publikum – faszinieren. Beim Trio schätzt er die fast immer vom Autor gewollte Ebenbürtigkeit der Ausführenden, hier reizt ihn, auf die Klangmöglichkeiten der zwei anderen Instrumente einzugehen, deren musikalische Aussage aufzunehmen und vielleicht sogar zu überhöhen. Besonders beglückend empfindet es Elsas, wenn man sich menschlich und musikalisch so gut versteht, dass ein intensives Gespräch zu dritt in Tönen möglich ist.
Das Klavierquartett bietet in seinen Augen eine äußerst gelungene Mischung zwischen klein – und großformatiger Kammermusik. Elsas genießt es hier, musikalische Intimität wie große Geste ausleben zu können.
Bläserquintett der Staatskapelle Dresden und |
Um seinen eigenen und den Ansprüchen des Publikums gerecht zu werden, setzt Elsas Schwerpunkte, in welchem Bereich der Kammermusik er jeweils tätig sein möchte. Eintagsfliegen schätzt er nicht, sie verschlingen Zeit, die er seinem Naturell entsprechend, lieber projektbezogen dafür einsetzt, um mit den Kammermusikpartnern menschlich und musikalisch zusammenzuwachsen, so dass ein Ergebnis herauskommt, wie es beispielsweise bei einem Konzert im Rahmen des Hohenloher Kultursommers in Schloss Neuenstein der Hausherr, Fürst von Hohenlohe-Neuenstein und seine Frau anerkennend formulierten: „Sie, zusammen mit den Solobläsern der Staatskapelle Dresden, passen ja wie geschweißt zusammen.“
In der Besetzung Streichquartett / Klavier bestand neben anderen über ein Jahrzehnt eine enge künstlerische Zusammenarbeit mit dem Prager Stamitz Quartett. Daneben dürfte die künstlerische Arbeit mit den beiden international renommierten polnischen Streichquartetten, dem traditionsreichen Wilanów Quartett aus Warschau und dem jüngeren Silesian String Quartet, das sich zunächst einen Namen mit der Interpretation zeitgenössischer Musik erwarb, sich dann aber ein ebenso gutes Ansehen bei der Aufführung von Werken aus dem klassisch-romantischen Bereich erworben hat, vielleicht von Interesse sein. Nicht zuletzt sind mehrere Tourneen mit dem Moskauer Shostakovich Quartett in seiner Gründungsformation, das ja neben dem legendären Borodin Quartett zu den beiden großen alten russischen Streichquartetten zählt, erwähnenswert.
In der Besetzung Bläserquintett / Klavier seien an dieser Stelle beispielsweise das Bläserquintett Academia Prag, das Bläserquintett des Gewandhauses Leipzig, das Istropolis Quintett, Bratislava (Bläserquintett der slowakischen Philharmonie) sowie das Bläserensemble der Warschauer Nationalphilharmonie genannt. Alle erwähnten Ensembles rekreieren sich aus den Solobläsern der jeweiligen Orchester. Gegenwärtig musiziert Christian Elsas vor allem gemeinsam mit den Solobläsern der Sächsischen Staatskapelle Dresden.
Besonders interessant bei den Begegnungen waren, neben den individuellen Besonderheiten der einzelnen Musiker, auch immer wieder die national verschiedenartigen Interpretationsansätze und wie daraus gemeinsam mit einem Pianisten der deutschen Tradition ein harmonisches Ganzes wurde.
Erinnerungen an menschliche und musikalische Begegnungen anlässlich von Probenphasen im Haus von Christian Elsas
Gastgeschenk aus Moskau |
Gastgeschenk aus Bratislava |