Mein Balsam für die Seele - Hunde
Ein Tier macht dem Herzen wohl.
Walther von der Vogelweide (1170 – 1230)
Godot Foto: Arno Rielat |
Bereits in frühester Jugend hatte ich den Wunsch, einen Hund an meiner Seite zu haben, da mich die enge Verbindung zwischen Mensch und Tier, die ja bei Hunden besonders ausgeprägt ist, faszinierte. – Leider waren meine Eltern und meine zwei Brüder nicht bereit, die damit verbundene Verantwortung sowie Kosten und Zeitaufwand mitzutragen. Dazu kam, dass meine Mutter, wie sie selber augenzwinkernd erzählte, bereits in ihrer Schulzeit den Spitznamen „Anneliese die Bazillenfürchtige“ hatte. So wurde mir nur ein Goldhamster konzediert, der mir in seinem kleinen Kasten mit Laufrädchen aber so leid tat, dass ich die nicht mehr benötigte Kinderbadewanne zum größeren Areal umfunktionierte, wo der Hamster immer, wenn mein Vater mit der Zigarre dort vorbeikam, aus seinem Häuschen herauskam, um ihn zu begrüßen.
Durch meinen Halbbruder Willfried, der immer Rauhaardackel hatte, war aber trotzdem auch in meiner Jugend ein Kontakt mit Hunden vorhanden; wenn er verreiste, übernahm ich komplett die Pflege für das Tier. Die Eigensinnigkeit dieser Spezies lernte ich dadurch hautnah kennen. So wurde z.B. nach langem abendlichem Spaziergang, der freudig angenommen wurde, kein Würstchen abgesetzt. Am nächsten Morgen fand ich regelmäßig dieses als Fanal mitten auf dem Küchenboden als Hinweis, dass ich zwar nett, aber nicht seine vermisste Bezugsperson sei.
So wurde mein Wunsch, selbst einen Hund zu haben, erst Realität, als meine spätere Frau in mein Leben trat und in unsere Beziehung ihren schwarzen, verspielten Mischling Godot mitbrachte. Ich wurde von Godot angenommen und wir machten zu unser beider Vergnügen alle möglichen Spielchen, wobei er besonderen Spaß an theatralischen Effekten entwickelte, so dass meine Tante, gerade zu Besuch, amüsiert kommentierte, als Godot bei einem solchen „Theaterstück“ die Wendeltreppe begeistert herunterrannte und fast die Kurve verfehlte: „Der Magier Christian ist wieder in Aktion.“. –
Mona und Lisa Foto: Christian Elsas |
Nach dessen Tod konnte ich mich längere Zeit nicht zu einem neuen Hund entschließen. Hundenot bei einem Türken, der bei einem Besuch in seiner Heimat eine Straßenhündin mitgebracht hatte, sich aber plötzlich sieben weiteren blinden Passagieren gegenübersah und nicht wusste, wohin damit, machte mich dann aber gefügig. Bei der Meute jungen, quirligen, noch tapsigen Lebens konnte ich nicht nein sagen und so fuhr ich mit zwei Mischlingen aus Retriever/ Collie/ Schäferhund – dem Größten und Dicksten und einem Zurückgebliebenen – wieder nach Hause. Ich nannte sie Mona und Lisa. Mona war, obwohl sie eine kleingewachsene Statur hatte, sehr kämpferisch, verteidigte Haus und Hof sowie unterwegs auf den Konzertreisen das Auto vorbildlich.
Lisa wuchs zu einer ungewöhnlichen Schönheit heran, elegant und ausgewogen in Körperform mit federndem Schritt, die überall Aufsehen erregte, wenn wir zusammen auftraten.
Eine Begebenheit sei hier humorvoll am Rande erwähnt. Ein Hundehalter, ganz auf Rassehunde fixiert, sprach mich spontan auf Lisa an. Ich antwortete mit todernster Mine, dass dies ein „Leonardo“ sei. Er äußerte verwundert, dass er diese Rasse gar nicht kennen würde. Meine Antwort: „Diese Rasse ist sehr selten, sie ist einzigartig“, was er irritiert und kopfschüttelnd zur Kenntnis nahm.
Während Mona Fremden gegenüber misstrauisch war, sogar aggressiv werden konnte, war Lisa, genau das Gegenteil, zu Jedermann freundlich, sensibel und musikliebend. Sie legte sich, wenn ich Klavier spielte, sofort mitten unter den Flügel. Ich fürchtete, dass ihr feines Gehör dadurch Schaden nehmen könnte und forderte sie auf, einen Platz auf dem weichen Teppich neben dem Flügel einzunehmen. Doch Lisa, sonst sanftmütig, beharrte auf ihrem Lieblingsplatz zum Musikhören mitten unter dem Flügel. Sie war lebenslang ungewöhnlich eng mit mir verbunden.
Lisa Foto: Christian Elsas |
Mona Foto: Christian Elsas |
Ihr Ende hatte eine merkwürdige Parallele zu der Geschichte in dem berühmten Werk des griechischen Dichters Homer, der „Odyssee“, wo ja der alte Hund Argos beschrieben wird, abgemagert, halb verhungert, unbeachtet von Jedermann, der auf einem Misthaufen liegt, auf die Heimkehr seines Herrn Odysseus treu wartet und ihn offensichtlich einzig das Warten am Leben erhält. Als Odysseus endlich heimkehrt, ist es nur der Hund, der ihn erkennt: er erhebt sich auf seinem Misthaufen, begrüßt den langersehnten Herrn und stirbt. Ähnliches erlebte ich mit Lisa: normalerweise war sie immer dabei, auch auf den Konzertreisen. Da sie aber bereits krebskrank und schon zweimal operiert worden war, unternahm ich eine längere Auslandsreise mit Rücksicht auf sie allein. Als ich zurückkehrte, freute sich der Hund unbändig; wenige Stunden später starb sie. Auch bei ihr also der lebenserhaltende Wunsch, den geliebten Herrn noch wiederzusehen und dann beruhigt zu sterben, wie von Homer beschrieben. Enger kann die innere Bindung eines Tiers an einen Menschen wohl kaum sein.
Nachdem Mona weniger als zwei Jahre später auch starb, war es wieder Hundeelend, das mich auf den Plan rief, um nach angemessener Trauerzeit zwei Hunde aus dem Auslandstierschutz aufzunehmen, um zumindest ein Zeichen gegen das sinnlose Töten von Streunern im benachbarten Ausland zu setzen und für diese beiden Geschöpfe „die Welt zu ändern“. Ich entschied mich dieses Mal für die Unterstützung von Aktivitäten in Rumänien und Spanien, wo vor Ort Hunde aus der Tötung gerettet und Kastrationsprojekte durchgeführt werden. Ich übernahm in diesem Fall die Namen, die sie von der jeweiligen Tierschutzorganisation (Fellchen in Not e.V. fellchen-in-not.de/ Finca Lucendum lucendum-animals.org) bekommen hatten.
Isabelle Foto: Ingrid-Dorothea Elsas |
So zog die liebevolle, wunderschöne, ruhige Isabelle, eine rumänische Straßenhündin und der temperamentvolle, aber gleichzeitig mit hochsensiblen Antennen ausgestattete Podenco-Mischling Moses aus Spanien bei mir ein, beide außerordentlich intelligente Wesen, die ihre Aufgaben der Bewachung von ihrem Haus, Grundstück und Auto sehr ernst nehmen.
Wieder war es ein Hund, der sich von meinem Klavierspiel angezogen fühlte und eine sehr enge Beziehung zu mir aufbaute, Isabelle, die in ihrem Vorleben als Streuner sicherlich niemals mit klassischer Musik in Verbindung gekommen war. Sie hört offensichtlich so aufmerksam zu, dass sie den Schluss eines im Repertoire befindlichen Stückes auch nach mehreren Monaten sofort wiedererkennt und mit einem freudigen „ho-ho-ho“ kommentiert (also wie beim Loriot Sketch „Der sprechende Hund“), wie ein „Bravo“ in einem Konzert.
Moses Foto: Ingrid-Dorothea Elsas |
Doch auch der Spanier Moses ist auf seine Art eng mit mir verwachsen. Wenn es mir einmal nicht so gut geht, spürt er dies, ohne dass ich ein Wort darüber verliere, sofort. Er kommt zu mir, gibt Füßchen, springt mich freudig an, macht den Clown etc., um mich aufzuheitern oder setzt sich mit Hängeöhrchen und traurigem Gesicht zu mir, sieht mich an mit dem Blick „Christian, ist doch alles nicht so schlimm“ und beruhigt sich erst, wenn ich ihn streichele und freundlich mit ihm spreche.
Die Kommunikation zwischen Hund und Mensch, die ja mit wenigen Ausnahmen rund um die Uhr aufgrund meines Berufes, selbst auf den Konzertreisen gegeben ist, ist dadurch ungewöhnlich intensiv; Isabelle hat dafür sogar extra leise Töne in verschiedenen Höhenlagen entwickelt, die sie beantwortet haben möchte, wofür ein „ja Isabelle“ durchaus ausreicht.
Durch die Rettungsaktion aus der Tötung ist ein wunderbares Geschenk erwachsen: zwei eng mit mir verwachsene Hunde, die mich durch Höhen und Tiefen in meinem ungewöhnlichen Leben unbeirrbar begleiten und mir helfen, den manchmal nicht einfachen Alltag lebensfroh zu meistern.
Moses und Isabelle auf Konzertreise Foto: Ingrid-Dorothea Elsas
Ein Hund ist ein Herz auf vier Pfoten.
(chinesisches Sprichwort)
P.S. Deshalb die zwei auf den ersten Blick verwirrenden und überflüssig erscheinenden Punkte (Uhren und Hunde) im persönlichen Teil meiner Website, die sich dadurch hoffentlich erklären und das freundliche Interesse des Lesenden erwecken.