„Pianisten gibt’s wie Sand am Meer.“ *) – Tatsächlich?
Zuhören können.
Auch der Stille.
Sehr schwierig, in der Stille auf die Anderen, das Andere zu hören.
Andere Gedanken, andere Zeichen, andere Klänge, andere Wörter, andere Sprachen.
Luigi Nono (1924 - 1990)
*) Kleine, vielleicht etwas freche Polemik am Rand: wie viele Lehrer gibt es, wie viele kfm. Angestellte, wie viele Politiker, wie viele Beamte, wie viele Angestellte im öffentlichen Dienst.... ?
Nachfolgendes gilt natürlich nur für den Konzertpianisten, die denselben Anspruch an diesen Beruf haben, wie ich.
Wenn mein Kind den Wunsch hätte, freiberuflicher Musiker und konzertierender Künstler als Pianist zu werden, wäre ich sicherlich zunächst schockiert. Dann müsste ich ihm sagen und es fragen:
Allein viele richtige Töne zu spielen, schnell spielen zu können, mörderische Oktaven greifen und sicher springen zu können .... All das reicht nicht. Dann spiele lieber zu deinem eigenen Vergnügen, der Freude deiner Familie, Bekannten und Freunde.
Foto: Gottfried Heinrich |
Du musst es mit dem Herzen wollen, du musst es müssen .... Sonst wirst du all die vielen Niederlagen, die Verletzungen, die Zweifel, das Ringen, die nie endende Arbeit nicht aushalten. Du wirst es nicht aushalten, wenn du um jede einzelne Note gekämpft hast und dann kommt Jemand daher, Jemand, der nichts verstanden hat und sich auch nicht die Mühe gibt, etwas zu verstehen oder sich mit deiner Interpretation auseinanderzusetzen, sondern nur das hören will, was er schon 50 Mal gehört hat, und schmettert deine künstlerische Aussage mir nichts dir nichts nieder.
Begabung, Ausdauer, Fleiß, Disziplin und vor allem Berufung; dieses altmodische, völlig aus der Mode gekommene Wort trifft es sicher am ehesten, was notwendig ist.
Du musst bereit sein, dein gesamtes Leben dieser Berufung unterzuordnen. Krankheit? Feierabend? Wochenende? Ferien? Geburtstag, Weihnachten... werden Fremdwörter werden. Familie, Freunde, Freizeitgestaltungen, ausschließlich dann, wenn deine Arbeit es vielleicht einmal zulässt und das wird sehr selten sein.
Foto: Gottfried Heinrich |
Wenn andere in der Sonne liegen, im Meer baden, Ski fahren, wunderschöne Frühlings- oder Herbstspaziergänge machen, sich mit Freunden treffen, um zu reden, gemeinsam zu essen, einen Abend zu verleben, wirst du an deinem Klavier sitzen und deine Noten studieren und nach Wegen suchen, wie der Klang, den du im Kopf hast, auf den schwarzen und weißen Tasten realisiert werden kann und das alles muss für dich absolut in Ordnung sein. Du sollst keine Opfer bringen, sondern das tun, was dir von allen Dingen das Wichtigste ist. Du wirst allein und einsam sein mit deiner Musik; keiner kann dir helfen, dir beistehen, denn es ist dein ureigenstes Ringen, dein ureigenster Kampf, bei dem es einzig um deine Gewissheit geht, den in diesem Moment für dich richtigen und damit einzigen Weg gefunden zu haben.
Mag sein, oder eher: ganz sicher wird es nicht derselbe Weg sein, den du beschreitest, wenn du die Komposition einige Jahre später wieder vornimmst. So lange du lebst, wird kein Stück „fertig werden“.
Risikobereitschaft, auch einmal gegen den Strom zu schwimmen oder daneben zu greifen, verrissen zu werden, unverstanden zu bleiben, aber dennoch so und nicht anders spielen zu können gehört ebenso zu dieser Berufung, wie Stellung zu beziehen, Exhibitionismus, Bereitschaft, fremden Menschen Zugang zu deinem Innersten zu öffnen, wenn sie deine Musik hören.
Wenn du dies alles mit „Ja“ beantworten kannst, dann mach dich auf den Weg. Ich wünsche dir Glück dabei.
Und vergiß nicht: Die Musik ist für den Augenblick geschrieben; indem sie erklingt – verklingt sie auch schon, dafür fordert sie totalitär die knappe Gegenwart, in der sie lebt; der Augenblick gehört einzig ihr, sie besetzt ihn vollständig. Dir als Interpret ist das gleiche Schicksal wie ihr beschieden. In dieser Kunstgattung geht es dem Interpreten im Gegensatz zum schaffenden Künstler so: seine Kunst ist die des Augenblicks und im nächsten auch schon nicht mehr wahr und gültig.